Der Salzweg


In grauer Urzeit griff der Grenzwald tief in das Landesinnere ein. Es wurden Steige hindurch geschlagen, die den Austauschhandel zwischen Böhmen und den Alpenländern vermittelten.

Karawane von Tragtieren auf dem Goldenen Steig, Rekonstruktion, Zeichnung Jiří Petráček

Nach einigen Historikern geht die Entstehung des Fernhandels in das Zeitalter der älteren Bronzezeit zurück. In Hallstatt und seiner Umgebung hat man begonnen die Salzvorkommen zu nutzen und in den Alpen wurde Kupfererz gefunden und verarbeitet. Gegenstand des Austauschhandels waren in der Bronzezeit aus dem Süden Salz und alpenländisches Kupfer, das in runden "Pfunden" transportiert wurde. Aus dem Norden transportierte man vor allem aus dem Erzgebirge Zinn, Ostseebernstein, Pelze und vielleicht auch Gold. In beiden Richtungen waren es metallurgische Erzeugnisse aus Bronze wie luxuriöse Waffen (Dolche), Ziernadeln, Beile und Meißeln.

In der Hallstatt-La Téne-Zeit führte man außer Salz auch Wein sowie auch luxuriöse Gegenstände aus dem Mittelmeerraum ein.

Aus unserem Land führte man Eisenwaren, Silber, Gold aus den Fundstellen in Šumava (Böhmerwald), Getreide, Graphitkeramik usw. aus.

In der römischen und slawischen Zeit erweiterte sich das Sortiment um einige Lebensmittel, Zier- und auch Nutzkeramik und Stoffe. Salz blieb weiterhin der wichtigste Bestandteil des Importes. Exportiert wurden außer den üblichen Waren Pferde, Rindvieh, Pelze und auch Sklaven.

Unter dem Begriff Steig muß man sich einen schmalen Weg vorstellen, der für die Tragetiere angepaßt, nicht besonders gut begehbar war, an matschigen Stellen wurden behauene Balken, sog. Brückenbalken gelegt, die angeblich so eng und schwer begehbar waren, daß es möglich war, höchstens zwei Pferde nebeneinander zu treiben; eine Fahrt mit einem Wagen war völlig ausgeschlossen. Gegen den Einfall der Feinde wurde der Steig mit Einkerbungen aus Baumstämmen versperrt.

Durch die Region Český Krumlov führten einige Handelswege. Wir bleiben nun bei einem von ihnen - nämlich bei dem Freistädter Weg, machmal wird er auch Kaplicer Weg genannt, der zur Achse des ganzen Handelslebens des Kaplicer Gebietes wurde. In den alten Urkunden wird er "antiqua via versus Bohemiam directa" genannt, und es wird angenommen, daß er schon in der prähistorischen Zeit in Richtung vom keltischen Oppidum Lentia (Linz) an der Donau in Richtung Freistadt, Kaplice in das Landesinnere von Böhmen führte. In seiner Nähe gab es vielleicht in der Hallstätter Zeit eine Burgstätte, die am Hügel bei Blansko erbaut wurde und die auch den Slawen diente.

Aufladen von Salzkufen auf Tragtiere in Passau, Rekonstruktion, Zeichnung Jiří Petráček

Mehr Erkenntnisse über die Existenz des Weges in der prähistorischen Zeit kann nur eine komplexe archäologische Untersuchung sowohl auf unserem, als auch auf dem österreischichen Gebiet bringen. Eine solche Untersuchung läuft schon auf allen drei Zweigen des Goldenen Steiges (Prachatice, Vimperk, Kašperské hory).

Der ursprüngliche Weg führte immer auf dem begehbaren Ufer des Flüßchens Malše - und dort, wo der Urwald bis zum Wasser wuchs und auf beiden Ufern unbegehbar war, führte der Weg auch durch das Flußbett.

Im 9. bis 10. Jahrhundert wurde die hiesige Landschaft von dem slawischen Stamm der Dúdlebi besiedelt, welche die Burgstätte in Doudleby bewohnten (es erwähnt sie der Chronist Kosmas im Jahre 981). In der ältesten Zeit verließ der Weg den Grenzwald erst hinter Kaplice und bei Rozpoutí (es bedeutet Scheidweg) teilte er sich in zwei Zweige. Der nördliche führte zur Burgstätte in Doudleby, der nordwestliche in Richtung zur Burgstätte in Netolice. In der Nähe des Zusammenlaufes der Malše und des Flüßchens Černá wurden an einer erhobenen Stelle in der romanischen Zeit eine Marienkapelle (die heutige sog. Böhmische St. Florian-Kirche) sowie ein Zollamt erbaut. Erst später wurde die heutige Pfarrkirche erbaut. An dieser Stelle entstand die älteste Besiedelung, an die später eine im 13. Jahrhundert erbaute Marktgemeinde angeschlossen wurde. Die Verbindung beider Siedlungen ließ ein Städtchen an der Kreuzung der Wege entstehen.

Der ehemalige Bezirksarchivar in Kaplice B. Benetka vermutete, daß auf diesem Areal außer den kirchlichen Bauten noch eine kleine Wachburg stand. Er stützte sich dabei auf die Analogie der Entstehung von Gemeinden an den Handelswegen, wo meistens eine kleine Burg oder eine Burg am Zollamt stand. Er führt dabei zwei Beispiele an. In Frymburk entstand eine Marktgemeinde am Zollamt, das an der Furth über die Vltava lag. Oberhalb der Furt ragte ein Wachturm auf (noch vor dem Krieg hieß eine Straße in Frymburk Thurmgasse) und am Felsenvorsprung entstand die Gemeinde. In Trhové Sviny stand auf einem niedrigen Felsenvorsprung in der Nähe der Pfarrkirche bis zum Jahre 1828 die Kapelle des Hl. Johannes des Täufers, die sich im Vorraum einer Grenzburg befand und gemeinsam mit der Burg und dem Zollamt einen Komplex bildete. Die erste Besiedlung konzentrierte sich eben gerade hier. Also stand in Kaplice eine kleine Burg oder nicht? Dies kann nur eine archäologische Untersuchung dieser Lokalität beantworten.

Meiner Meinung nach war das ganze Areal der zwei Kirchen und des Zollamtes mit einem Palisadenzaun aus Holz oder mit einer gemauerten Schanze umgeben. Der ursprüngliche Weg wendete sich von der Malše in die westliche Richtung zu dem bereits erwähnten Zollamt, dies läßt auch die heutige Straßenkurve vermuten. Zu einer grundsätzlichen Wende kam es nach dem Jahre 1265, als der böhmische König Přemysl Ottokar II. die Stadt České Budějovice gegründet hatte. Die Burgstätte in Doudleby verlor ihre Bedeutung, zum Verwaltungs- und Handelszentrum wurde die eben gegründete Stadt. Von dort begann der König eine neue Straße in Richtung Linz in seine angeheirateten österreichischen Besitzungen zu bauen. In der Gegenrichtung wurde auch aus Österreich eine Straße gebaut.

In den Urkunden schreibt man von diesem Weg als von einer Straße, auf der Kaufmannswagen verkehrten. Die Straße durfte kein schmaler Steig wie zu den alten Zeiten sein, auf der man die Waren entweder nur einfach auf dem Rücken der Träger oder mit den Tragetieren transportiert hatte. Die neue Straße sollte nicht nur der Beförderung, sondern auch den militärisch-strategischen Zwecken dienen, damit der König im Gefahrenfall so schnell wie möglich in seine österreichische Lehen gelangen konnte. Die Strecke der Straße war mit der heutige Straße E 55 fast identisch.

Nördlich von Linz am Rande der Wälder von Šumava (Böhmerwald) gab es im 11. Jahrhundert eine Gemeinde, die Zaglau hieß. Ihr ursprünglicher Name blieb im Tschechischen in der Form Cáhlov erhalten. An der Stelle von Zaglau wurde im Jahre 1277 die Stadt Freistadt gegründet. Ihr Name bedeutete, daß es sich um eine freie, von den Gebühren befreite Stadt handelte, die eine besondere Bestimmung hatte. Sie sollte ein Rast-, Übernachtungs-, Marktplatz sowie auch Stapelstadt für die Beförderer werden, an der Strecke, wo Salz sowie andere Waren nach Böhmen transportiert wurden. Freistadt nahm schnell eine bedeutende Position am Handelsweg ein, die im Vergleich mit der Stellung von

Bergmann, Salzträger in den urzeitlichen Salzbergwerken in Hallstatt, Zeichnung Jiří Petráček Prachatice nicht zurückblieb. In das Freistädter Lager kamen Fuhrleute auf einigen Wegen, über die der ganze östliche Teil des Šumava, das Buweiser Becken sowie das Gebiet um Nové Hrady versorgt wurde. Das Zollamt wurde aus Kaplice bis zur Landesgrenze in Dolní Dvořiště verlegt, von dem es erste Erwähnung aus dem Jahre 1279 gibt. Kaplice litt unter dieser Maßnahme ziemlich, andererseits glich es dies aus, indem es eine günstige Lage in der Mitte des Weges von Freistadt nach České Budějovice einnahm. Die Fuhrleute legten täglich etwa 30 km zurück. In den hiesigen Gasthäusern konnten die Frachtfahrer eine Zuflucht vor dem Schlechtwetter finden, sie konnten sich hier ausruhen, essen und trinken, eventuell auch übernachten. Auch für die Pferde wurde gesorgt, sie bekamen für sie Futter und Hafer. Auf der Straße kamen aus Böhmen und Österreich Rindviehhändler, welche die bekannten Kaplicer Viehmärkte entstehen ließen. Die Straße verlief nicht wie heute außerhalb der Stadt, sonderen führte direkt durch das Stadtzentrum.

Entlang des Weges wurden die bis dahin wüsten Gebiete besiedelt. Die tschechiche Kolonisierung verbreitete sich aus dem Landesinneren und es wurden die folgenden Gemeinden gegründet: Zbraslav, Suchdol, Všeměřice, Nažidla, Pšenice, Zdíky, Skoronice und Strádov. Im Laufe des 13. Jahrhunderts entstanden die kleine Burg Louzek, die Burg Sokolčí, die kleine Burg Pořešín und die Burg Velešín.

Wie sah das Ein- und Ausfuhrsortiment im Mittelalter aus? Eingeführt wurden vor allem Salz, das steirische Gold, teuere Tuchwaren, Seide, Wein, Seefische, Südfrüchte, Gewürze aus Übersee und Waffen. Ausgeführt wurden verschiedene Getreidesorten, Malz, Hopfen, Bier, Süßwasserfische, Butter, Wachs, Honig und weitere landwirtschaftliche Produkte und Erzeugnisse der Handwerker.

Der Weg war nicht nur eine lebende Handelsader, sondern auch Bestandteil der Postlinie Prag-Venedig. Die erste Nachricht über eine Poststation in Kaplice stammt aus dem Jahre 1530. Die Verbindung hielten Fahrboten aufrecht, die Pferde besaßen. Zu Postmeistern wurden Menschen, die dazu geeignete Räumlichkeiten sowie auch die erforderliche Zahl der Pferde hatten. In Kaplice wurde als Postmeister ein gewisser Schober berühmt, dessen Geschlecht diese Fuktion einige Generationen lang erhalten blieb.

In der Mitte des 16. Jahrhunderts verordnete der böhmische König und der spätere Kaiser Ferdinand I. die Einfuhr des Gmundner Salzes.

Die Statthalterei in Prag gab im Jahre 1550 die Verordnung für den Kaplicer Richter Wolfgang Scheplack aus, diesen Weg, der schon zur Handelsstraße wurde, für Gespanne umzubauen, die nach Böhmen Salz transportierten. Die Straße sollte so bald wie möglich fertig sein. Der Richter Scheplack war wirklich bis Juni 1551 mit der Arbeit fast fertig - die Straße, die auch zwei gewölbte Brücken hatte, konnte innerhalb von 3 bis 4 Monaten völlig dem Verkehr übergeben werden. Den Richter suchte aber inzwischen ein Unglück heim. Das in Kaplice tobende Feuer brachte ihn um den ganzen Besitz, so daß er kein Geld hatte, um seine Arbeiter zu bezahlen. Da die "entsprechende Bezahlung" nicht kam, wußte er, daß er die Arbeit nicht wird beenden können. Seine Situation war auch dadurch kompliziert, daß er auch andere Bauarbeiten für die Herrschaft Nové Hrady im Gange hatte (Umbauten und Regulierungen), wo er ebenfalls auf die Bezahlung von 500 Gulden wartete, um 150 Arbeiter zu bezahlen - und darüber hinaus wartete er noch auf weitere 30 in Gemunden vereinbarte. Wie es mit dem Richter und seinen Arbeitern ausging, wissen wir leider nicht.

Der Weg des kaiserlichen Gmundner Salzes führte aus den alpenländischen Salzsiedereien nach Gmunden, Mauthausen, Linz - Urfahr, Freistadt, Kaplice, České Budějovice, Týn nad Vltavou und Prag. Mit dem Gmundner Salz versorgte man das östliche Ufer der Vltava. Salzlager gab es in České Budějovice und in Týn nad Vltavou.

Salzabladen in Prachatice, Rekonstruktion, Zeichnung Jiří Petráček

Das Salz transportierte man damals in Kufen, was damals auch ein Maß für die Steuern und auch für den Zoll war. Für Böhmen wurden große Kufen mit dem Gewicht von 144 Pfund (74 kg) eingeführt. Eine Kufen für Tragetiere hatte 107 Pfund (55 kg). Große Kufen wurden auf speziellen, dazu bestimmten Wagen transportiert, die gleichzeitig ebenfalls auch ein gewisses Maß waren. Auf einen Wagen wurden 12 Kufen Salz aufgeladen, was 888 kg Salz betrug - es hing davon ab, wohin man fuhr und wie stark die Pferde waren.

Auf der österreichischen Seite gab es eine große Steigung (Linz 263 m.über dem Meeresspiegel, Kerschbaum 713 m über dem Meeresspiegel, der Unterschied betrug 450 m), so daß man stellenweise noch zusätzlich Pferde einspannen mußte. Von Kerschbaum nach České Budějovice führte der Weg bergab (České Budějovice liegt in der Höhe von 385 m über dem Meeresspiegel, der Unterschied beträgt also 328 m), auch wenn es dort Gegenhänge gibt, deren Überwindung für die Pferde schwierig war. In den Streckenteilen, wo es intensiv bergab führte und der Fuhrmann stark bremsen - schleifen - mußte, gab es "Verkehrszeichen", die sog. Bremssteine.

Die Frequenz des Holztransportes war in den historischen Zeiten verschieden. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts transportierte man auf der Straße etwa 28 000 große Kufen jährlich. Bis zum Jahre 1620 waren es 70 000 Kufen jährlich. Der Dreißigjährige Krieg ließ die Einfuhr auf das Minimum sinken. Nach einer bestimmten Belebung im 18. Jahrhundert stabilisierte sich die Einfuhr am Anfang des 19. Jahrhunderts so, daß zwischen Mauthausen, Freistadt, Kaplice und České Budějovice ständig 400 Garnituren Fuhrmannswagen unterwegs waren, die nach Böhmen Salz brachten. Der Salztransport auf der Straße endete mit der Inbetriebnahme der Pferdeeisenbahn zwischen Linz und České Budějovice am 1. August 1832. Die Strecke verlief in derselben Richtung wie der Salzweg. Das Salz wurde nur noch mit der Eisenbahn transportiert und die Fuhrleute mußten sich auf andere Waren umorientieren, das ist allerdings aber schon ein anderes Kapitel.

(vh)